Lesepr.Der liebe Gott und sein teuflisches Bodenpersonal

Leseprobe – der liebe Gott und sein teuflisches Bodenpersonal

Prolog aus dem Himmel

Da soll doch gleich einmal der Blitz dreinschlagen!
Irgendetwas scheine ich in meiner göttlichen Allmacht falsch gemacht zu haben. Diese Menschen haben immer noch nicht kapiert, worum es in ihrem Erdenleben geht. Vielleicht war die Sache mit dem freien Willen doch etwas übertrieben.
Dabei habe ich es doch an nichts fehlen lassen. Erst habe ich ihnen die zehn Gebote gegeben, die waren ja wohl klar und deutlich. Aber es hat nichts genützt! Also habe ich vor kurzem auch noch meinen Sohn geschickt. Mit allem Brimborium. Sogar Eltern habe ich ausgesucht, war alles gar nicht einfach. Dreiunddreißig Jahre hat er unter ihnen gelebt, ihnen alles gesagt und erklärt, dabei Kranke geheilt und den Sündern verziehen. Hat es genützt? Mitnichten.
Ja gut, ein paar Mal hat er getrickst. Übers Wasser zu gehen und aus Wasser Wein zu machen, das hätte vielleicht nicht sein müssen, das könnte den ein- oder anderen nachhaltig verwirrt haben. Manche versuchen das immer noch. Wasser zu Wein zu machen ist ihnen noch nicht vollständig gelungen, dafür machen sie aus Schimmelpilzen Erdbeeraroma – aber so war das doch nicht gemeint! Na gut, das sind Kleinigkeiten: Peanuts sagen sie neuerdings. Jedenfalls haben wir nichts ausgelassen, das volle Programm durchgezogen, inklusive Tod und Auferstehung. Damit haben wir sie allerdings auch etwas überfordert, an der Sache mit der Auferstehung kiefeln sie heute noch.
Das Unerträglichste aber ist, dass die Herrschaften aus der Kommandozentrale in Rom, besser gesagt im Vatikan – sie mussten ja gleich einen eigenen Staat haben – um nichts besser sind. Was sage ich – schlechter noch! Eine teuflische Mischung aus Ängstlichkeit und Überheblichkeit ist dort am Werk. Veränderungen fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser, dabei sind sie von einer Überheblichkeit, die ich nur schwer ertrage. Ja gut, nicht alle, natürlich nicht, das wäre ja auch noch schöner!
Vielleicht hätte ich mich beim letzten Konklave doch deutlicher zu Wort melden sollen – manche haben mich darum gebeten –, aber ich wollte ihnen ja wieder einmal ihren freien Willen lassen.
Jetzt überlege ich, doch wieder einmal ordnend einzugreifen. Nein, keine Sintflut diesmal, nur ein ganz kleiner Fingerzeig, eine Andeutung, dass etwas falsch läuft. Aber an wen soll ich mich wenden? Es müsste schon jemand sein, der klug genug ist, es zu verstehen. Unter denen, die sie großspurig „Laien“ nennen, gäbe es etliche, aber würden sie denen glauben? Vermutlich nicht. Dann also jemand, der in ihrer Hierarchie – die im Übrigen auch nicht meine Idee war – ziemlich weit oben steht.
Vielleicht sollte ich es gleich mit dem Papst versuchen. Dieser Leo ist zwar auch ziemlich überheblich, aber immerhin scheint er guten Willens zu sein, und hat nicht eine seiner Schwestern ohnehin noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen? Da war doch was …

I. Buch: Die andere Schwester des Papstes

1. Das Interview

Katharina blickte auf die Uhr, massierte kurz die Schläfen und drückte den Knopf der Sprechanlage: „Der Nächste, bitte!“ Es war ein langer Tag gewesen, sie war müde und freute sich auf einen gemütlichen Abend.
„Fertig für heute“, antwortete ihre Sprechstundenhilfe. „Nur ein junger Mann vom Kurier wartet noch auf Sie.“
„Ist er angemeldet?“
„Das nicht“, flüsterte die Sprechstundenhilfe, „aber ich denke, er kommt wegen Ihres Buches. Jedenfalls hat er eine Kamera dabei.“
„Dann soll er hereinkommen.“
Katharina zog rasch die Lippen nach, noch während sie den Stift wieder in ihre Handtasche gleiten ließ, rief sie: „Herein!“
Der junge Mann, er mochte etwa dreißig sein, erwiderte ihren kräftigen Händedruck, das gefiel ihr, sie konnte es nicht leiden, wenn die Hand des anderen schlaff in der ihren lag. „Mein Name ist Felix Winter. Ich komme im Auftrag des Kuriers und würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“
„Das freut mich“, antwortete sie. „Ich habe eigentlich gedacht, mein Buch sei schon in der Rundablage gelandet. Bitte, nehmen Sie Platz.“
„Sie haben ein Buch geschrieben?“, fragte er, während er sich setzte.
Diese schlichte Frage ließ Katharinas Müdigkeit schlagartig zurückkommen.
„Über Allergiebehandlung, ich dachte, deswegen seien Sie gekommen“, antwortete sie dementsprechend gereizt.
„Leider nein“, erwiderte Felix Winter und schickte dieser Nachricht ein gewinnendes Lächeln nach. „Ich komme sozusagen in heikler Mission.“
Er machte eine Pause, sie bedeutete ihm weiterzusprechen.
„Wie Sie sicherlich wissen, findet heuer im September der Welt-Jugend-Tag in Wien statt.“
Während Katharina zustimmend nickte, spürte sie, wie ihr Puls schneller wurde. Er sah sie fragend an, doch sie hatte nicht vor, ihm entgegenzukommen.
„Aus diesem Anlass wird Papst Leo seiner Heimat einen Besuch abstatten. Ich nehme an, auch das ist Ihnen bekannt.“
Sie nickte abermals. „Es stand so etwas in der Zeitung.“
„Ich nehme weiter an, Sie sind diesbezüglich nicht auf die Informationen der Medien angewiesen.“
„Da irren Sie, junger Mann.“
„Aber Sie sind doch eine Schwester des Papstes?“
Sie ließ einen Augenblick vergehen, ehe sie antwortete: „Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe ein wenig im Internet recherchiert. Der Papst hieß mit bürgerlichen Namen Leo Forstreiter und hat, wie Sie, seine Kindheit im Waldviertel verbracht. Da Forstreiter auch ein Teil Ihres Namens ist und Sie etwa fünf Jahre jünger sind, könnte er Ihr Bruder sein.“
„Könnte er“, nickte sie.
„Wird es ein Treffen zwischen Ihnen geben?“
„Das müssen Sie schon den Heiligen Vater fragen.“
Er schickte abermals ein gewinnendes Lächeln über den Schreibtisch: „Ein Gespräch mit dem Heiligen Vater steht – leider – außerhalb meiner Möglichkeiten.“
„Dann kann ich Ihnen – leider – auch nicht helfen. Papst Leo pflegt seine Pläne nicht mit mir zu besprechen.“
Er lächelte.
„Kann es sein, dass es zwischen Ihnen und dem Heiligen Vater ein … Zerwürfnis gab?“
„Steht das denn auch im Internet?“
Diesmal sah er an ihr vorbei, als er antwortete: „Nur, wenn man zwischen den Zeilen liest. Sie haben an den Feierlichkeiten zum Beginn seines Pontifikates nicht teilgenommen. Zumindest ist in den Zeitungen immer nur die Rede von einer Schwester Maria, einer Klosterschwester. Sie ist auch mehrfach mit Papst Leo abgebildet.“
„Gleich mehrfach, sieh an.“
„Ich schließe aus Ihrer Antwort, dass Sie auch zu Ihrer Schwester kein sehr inniges Verhältnis haben.“
„Sehen Sie, so leicht kann man sich irren.“