Leseprobe-Väter, Söhne und andere Sturköpfe Familien 2.0 Band 03

  1. Frühling 2016

Sarah nahm die Stufen, die zur Wohnung ihrer Großeltern führten, gleich im Doppelpack, klopfte nur kurz an die Tür und stand auch schon im Vorraum.
„Oma? Oma! Da bist du ja. Weißt du schon das Neueste?“
Annette grinste. „Wenn das Neueste eine bevorstehende Hochzeit sein soll, dann ja.“
„Echt? Mama und Lorenz haben es mir eben beim Abendessen verklickert. Was sagst du dazu?“
„Was soll ich schon sagen? Deine Mutter und Lorenz leben jetzt seit über einem Jahr zusammen, lieben einander, haben eine gemeinsame Tochter und bauen gemeinsam mit deinem Vater ein Doppelhaus. Also sehr überraschend kommt das nicht.“
Sarah überlegte. „Ja, schon, aber weißt du auch, wie das Ganze ablaufen soll?“
Annette lächelte. „Du hast recht, daran müssen wir noch arbeiten. Aber nicht jetzt, Opa und ich gehen heute ins Theater.“
„Deshalb bist du so aufgebrezelt.“
„Du findest mich aufgebrezelt?“ Annette warf einen kritischen Blick in den Vorzimmerspiegel. Das dunkelblaue Etuikleid mit dem weißen Gürtel passte doch ganz hervorragend zu ihrer immer noch schlanken Figur. Das Make-up war dezent und für das makellose Blond ihrer Haare sorgte ihr Friseur. „Also, mir gefällt’s.“
Sarah grinste. „Passt schon Oma, ein bisserl retro halt.“
„Soll ich vielleicht in zerfransten Jeans ins Theater gehen?“, empörte sich Annette.
In dem Moment kam Sarahs Opa Ernst im dunkelblauen Anzug aus dem Wohnzimmer. „Lieblingsenkelin, was machst du denn für einen Radau?“
„Ich geh eh schon. Aber morgen reden wir über alles. Okay? Also dann, viel Spaß!“
„Ich weiß zwar nicht, worüber wir morgen reden sollen, aber ich mache morgen abends auf besonderen Wunsch meines Sohnes Flori meine berühmten Burger. Wenn du Lust hast …?“
„Unbedingt! Wann soll ich kommen?“
„Sobald sich Oma aus dem Büro losreißt, gebe ich dir Bescheid.“

„Supi!“

Sarah spurtete in ihr Zimmer.
Nächster Punkt. Papa anrufen.
Udo wusste zwar noch nichts von der bevorstehenden Hochzeit, war aber ebenso wenig erstaunt wie Oma.
„Stell dir vor“, empörte sich Sarah. „Niemand soll eingeladen werden, außer Family. Die wollen einfach nur aufs Standesamt gehen und nachher in der Alten Post zum Mittagessen. Das war’s.“
„Wer genau ist Family?“
„Na ich, die Kids, Petra, Oma-Opa und Lorenz’ Mutter. Wobei ich nicht glaube, dass meine Stiefgeschwister in spe auch wirklich kommen werden. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Johanna Kläuschen allein mit der Bahn von Salzburg hierherfahren lässt. Die ist doch die gleiche Glucke wie Mama. Ob Petra kommt, ist auch fraglich. Ich habe dir ja erzählt, wie schräg die neuerdings drauf ist. Na, egal. Oma und ich arbeiten ohnehin schon an einem Gegenplan.“
„Wie soll der aussehen?“
„Sag ich dir, sobald wir einen haben.“
„Mach das. Eigentlich habe ich immer gedacht, wenn wir erst das Doppelhaus bezogen haben, machen wir eine Doppelhochzeit.“
„Echt jetzt? Meine Eltern heiraten zum zweiten Mal, gemeinsam, aber jeder einen anderen Partner. Das wär echt schräg“, kicherte Sarah.
„Aber originell. Damit hätten wir es sicher ins Bad Brunner Blatt geschafft“, meinte Udo.

***

„Wann kommst du heute aus der Schule?“, fragte Monika am nächsten Morgen beim Frühstück.
„Ich esse heute bei Leas Oma, Lea und ich müssen gemeinsam Mathe lernen.“
„Schön, dass ich das auch erfahre. Wann wirst du nach Hause kommen?“
„Rechtzeitig, denn am Abend bin ich bei Oma-Opa, dort gibt es Burger.“
„Hatten wir doch auch erst vor Kurzem“, warf Monika ein.
„Ja, aus Haferflocken.“ Sarahs Tonfall sagte alles.
Monika zog es vor, darauf nicht zu antworten. Andere Teenies wären froh darüber, wenn ihre Mütter eher vegetarisch kochten. Warum musste ausgerechnet ihre Tochter so ein Fleischtiger sein? Doch das Thema vermied sie besser, zumindest, solange Lorenz noch da war, denn wenn es ein Thema gab, bei dem Sarah und er sich einig waren, dann dieses. Stattdessen sagte sie: „Ich dachte, Leas Oma kann nicht kochen. Ihr könntet doch hier essen.“
„Belegte Brote kann sie.“
„Und wieso isst du abends bei Oma-Opa?“
„Na, wegen der Burger, sagte ich doch“, gab Sarah patzig zurück und setzte noch hinzu: „Umso mehr Zeit hast du für deine Lieblinge.“
„Die da wären?“, fragte Monika pikiert.
„Katharina, Alex und Lorenz.“
„Genau in der Reihenfolge“, fügte Lorenz grinsend hinzu, ehe er sich eilends verabschiedete.

***

Während Lorenz sich nach dem Abendessen – endlich – dem Studium der Tageszeitung widmete, brütete Monika über dem Einkaufszettel.
„Kommt Petra dieses Wochenende eigentlich?“
Lorenz schüttelte den Kopf. „Nein, die besucht ihre Oma im Lungau.“
„Laut unserem mühsam ausgeklügelten Terminplan wäre das unser Wochenende.“
„Ich weiß, aber meine Mutter hat bald Geburtstag, und weil Petra nächstes Wochenende bei ihrer Mutter in Salzburg ist, fährt sie dieses Wochenende zu ihrer Oma.“
Monika schwankte zwischen Ärger und Erleichterung. Auch wenn Petra ihr Leben nicht einfacher machte, war sie der Meinung, Lorenz dürfe seiner Tochter nicht so oft nachgeben und schon gar nicht durften sie den Kontakt vernachlässigen.
„Übernächstes Wochenende ist schon Palmsonntag“, murmelte Monika.
Lorenz nickte. „Ich weiß, mein Schatz. Da kommt Petra dann, wie immer, am Freitag.“
„Um am Sonntag mit uns nach Salzburg zu fahren.“
„Genau. Dort tauschen wir mit meiner Ex die Kinder und fahren mit Kläuschen weiter zu meiner Mutter.“
„Ganz schön kompliziert“, seufzte Monika.
„So ist das halt in einer Patchworkfamilie, wenn die Eltern weit entfernt voneinander wohnen und …“
„Und die Stieftochter die Stiefmutter nicht leiden kann“, vollendete Monika seinen Satz. Sie konnte noch immer nicht verstehen, dass Petra das Leben im Internat dem Leben bei ihnen vorzog.
Als Johanna, Petras Mutter, sich von Lorenz getrennt hatte, war Petra bei ihrem Vater geblieben und hatte – so gut sie eben konnte – versucht, den Haushalt zu führen. Das war nicht einfach gewesen für ein Mädel von zwölf Jahren. Damals hatte Petra sich gerne von Monika helfen lassen. Und ausgerechnet jetzt, wo Monika ihr alles abnahm, ging das Kind lieber ins Internat, als mit ihnen hier zu leben? Das konnte Monika beim besten Willen nicht verstehen – sie war doch kein Unmensch! Von den Kosten fürs Internat, die das Haushaltsbudget belasteten, einmal ganz abgesehen.
„Das wollte ich eigentlich nicht sagen“, unterbrach Lorenz ihr Gedankenkarussell. „Aber Petra ist halt in einem schwierigen Alter“, verteidigte er seine Tochter einmal mehr.
Monika nickte seufzend. „Ich weiß, Sarah ist ja auch nicht ganz einfach und Stiefeltern sind offenbar per se uncool. Apropos Stiefeltern. Hast du Petra jetzt endlich gestanden, dass wir heiraten werden?“

„Mhm.“

„Ja und? Ist sie eh begeistert?“
Lorenz zuckte mit den Schultern. „Geht so. Sie möchte allerdings lieber nicht dabei sein.“
„Wie bitte? Das kann sie doch nicht machen! Wieso das denn?“
„Ach Moni, das weiß ich doch nicht“, antwortete er seufzend und setzte genervt hinzu: „Könnte ich jetzt bitte in Ruhe meine Zeitung lesen?“
„Wenn dir das wichtiger ist“, antwortete sie knapp, schnappte sich ihr Kochbuch und stolzierte damit in die Küche.